Der Geiger von Echternach

Zu Zeiten des hl. Willibrord lebte in Echternach ein junger Mann namens Veit, seiner Größe wegen der lange Veit genannt. Eines Tages machte er sich mit seiner Frau zu einer Wallfahrt ins heilige Land auf den Weg. Da man zehn Jahre nichts von ihnen hörte, dachten seine Verwandten, sie seien unterwegs gestorben und teilten sich den Besitz. Groß war also ihr Staunen, als am Ostertag des Jahres 729 der lange Veit plötzlich in Echternach wieder auftauchte, bettelarm und von tiefem Leid gezeichnet. Seine Frau war von Räubern ermordet worden und er besaß nichts als ein seltsames, allen unbekanntes Instrument, eine Art Geige.

 

Doch als Veit seine Güter zurückforderte, beschlossen seine Verwandten, ihn anzuklagen, er habe seine Frau ermordet. Tags darauf traten sie geschlossen mit ihrer Anklage auf und drei der stärksten von ihnen erboten sich, nach der Sitte der damaligen Zeit, durch Zweikampf die Richtigkeit ihrer Aussage zu bekräftigen. Am Pfingstmontag fand der Zweikampf statt; schon in der ersten Runde wurde Veit zu Boden geworfen und, des Gegners Fuß auf der Gurgel, musste er sich geschlagen geben. So wurde er denn des Mordes schuldig befunden und verurteilt, am folgenden Tage gehängt zu werden.

 

Als letzte Gnade auf seinem Todesgang bat Veit seine Geige mitnehmen zu dürfen. Der Galgen war umdrängt von zahlreichen Zuschauern. Da nahm Veit den Fiedelbogen und entlockte seiner Geige so helle Töne, dass die Menge erstaunt und tief erschüttert aufhorchte. Aus dem wunderbaren Instrument erklang es wie Schluchzen und Tränen, bei denen die Menge wie außer sich geriet. Der Henker, der oben auf der Leiter stand, wankte, ließ das verhängnisvolle Seil fallen und musste, da er sich nicht mehr oben zu halten vermochte, verwirrt herabsteigen.

 

Veit aber spielte immerzu weiter; unter seinem Fiedelbogen schienen Funken hervorzusprühen, und die Menge horchte wie angewurzelt. Dann aber spielte er fröhliche, feurige Weisen, die alle Schaulustigen, ja selbst seine Verwandten, die ernsten Richter und den finsteren Henker, zum Tanze mitrissen. Die von den Weiden nach Hause eilenden Tiere begannen ebenfalls zu tanzen. Alles, was in und um Echternach lebte, wurde von der Tanzwut ergriffen. Toll und immer toller drehte sich die Schar im Kreise, Veit aber stieg gemächlich von der Leiter herab und verschwand, immer weiter spielend, im Wald.

 

Erst bei Sonnenuntergang hörten die Echternacher auf, sich zu drehen; doch die Verwandten Veits, die ihm so großes Unrecht angetan hatten, mussten ohne Unterbrechung weiterspringen. Schon hatten sie sich bis an die Knie in die Erde hineingetanzt, als der hl. Willibrord davon erfuhr, schnell herbeieilte und sie vom Zauber erlöste.

 

nach J. Collin de Plancy, Luxemburger Zeitung, 1858, Nr. 121

 

 

 

 

 

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