Nanito und die weiße Frau - aus Kapitel 3

 

Nanito stand in einem alten Gemäuer und schaute sich um. Da hörte er hinter sich ein helles Lachen.

Herzlich Willkommen auf Burg Freudenkoppe. Fertiggestellt um 1340 als castrum Froudenkube durch Johann von Luxemburg, König von Böhmen.“

Als Nanito sich umdrehte, sah er nur noch das schneeweiße Gewand im Nebel verschwinden. Es dauerte nicht lange und er hörte wieder die Stimme.

Ich weiß doch, dass dir Burgen gefallen. Soll ich dir noch eine zeigen?“

Im gleichen Moment hüllte der Nebel die ganze Ruine ein und ehe Nanito sich versah, verwandelte sie sich in ein anderes Gemäuer. Dann tauchte die weiße Frau hinter einer Fensterhöhle auf. Neben der verfallenen Giebelwand wuchs ein mächtiger Turm in die Höhe. Ausgelassen lief die Frau die Treppe hoch und winkte Nanito:

Komm schon! Oder willst du nicht? Du glaubst nicht, wie weit man von hier gucken kann!“

Außer Atem kamen sie oben an.

Wie heißt du eigentlich?“ wollte Nanito wissen. Aus der Nähe kam sie ihm eher wie ein Mädchen vor.“

Fahana“

Sicher bist du eine Fee?“

So ähnlich. Hier sagten sie früher Juffer zu uns.“

Nanitos Blick fiel auf das Körbchen, da bekam er einen Schreck, denn ihm fiel ein, dass er vielleicht das Wichtigste vergessen hatte.

Keine Sorge,“ sagte Fahana lachend und breitete die Arme aus. Sie drehte sich, drehte sich. . . immer im Kreis. Da schwebte die Blume wie eine Feder herbei. Fahana pflückte sie aus der Luft und legte sie Nanito in die Hand. Im nächsten Moment standen sie in einem von Fackeln beleuchteten Gewölbe.

Fahana zeigte auf eine niedrige Tür.

Ich glaube, du solltest sie aufschließen.“

Nanito stutzte. Die Blume hatte sich in einen Schlüssel verwandelt.

 

Am Morgen konnte sich Nanito noch an Zwerge in Mönchskutten, die vielen Schreibpulte und tausend flackernde Kerzen erinnern. Als sein Blick auf die Vase fiel, hatte er auch die weiße Frau wieder vor Augen. Über die Blume hatten sie im Traum gesprochen, darüber, dass zu allen Zeiten habgierige Menschen versucht hatten in ihren Besitz zu kommen. Und dann hatte Fahana gesagt: „Aber besitzen kann die blaue Blume nur, wer sie wirklich liebt.“ - Ja, das hatte sie gesagt.


Als Nanito Theo von seinem Ausflug erzählte, fragte der gleich: „Kutten sagst du - Weißt du noch, ob es einen Twerg Wit gab? Langer roter Bart und unglaublich große Füße.“

Könnte sein. Der Zwerg, der uns die Manuskripte zeigte, hatte einen roten Bart. Ich glaube, er war so etwas wie der Vorsteher.“

Es können nur die Urigen sein“, meinte Theo. „Sie sind urururalt. Und wenn du sagst, ihr wart am Nerother Kopp, dann könnte das hinkommen. Früher wurden dort Mühlsteine geschlagen. Es gibt eine Höhle. Der Sage nach war sie sogar Teil eines unterirdischen Ganges, der als Verbindung zwischen den Burgen gedient haben soll. Theoretisch könnte es auch Zugänge tiefer ins Erdreich geben.“

Theo hatte vor Aufregung ganz rote Ohren bekommen. Küche fegen, Ofen anheizen, sogar die angebrannten Töpfe, die er Nanito ans Herz gelegt hatte, waren vergessen. Stattdessen rückte er ihm den Sessel hin.

Setz dich, setz dich, mein Junge. Wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege, dann bist du wirklich einem Schatz auf der Spur!“

Theo überlegte eine Weile und sagte dann etwas unmutig: „Weißt du, manchmal könnte man glauben, unsere Geschichte hätte erst mit den Römern angefangen. Zum Kuckuck mit ihrer Berichterstattung! Als ob es die Kelten und ihre weisen Druiden nie gegeben hätte. Wir vom kleinen Volk sind ihren Priestern sehr verbunden, sie waren große Hüter des Wissens. Nur haben sie ihr Wissen niemals aufgeschrieben und Verfälschungen nicht korrigiert. Zum Glück widmeten sich schon damals einzelne Zwerge der Richtigstellung. Einer von ihnen war Twerg Wit, der Kluge. Als es im Mittelalter immer düsterer wurde, zog er sich mit seinen Schreibern in die Verborgenheit zurück. Man geht heute davon aus, dass er im Besitz des gesamten Wissens der Eichenpriester ist. Dieses Wissen, das der Welt so sehr fehlt.“

Theo setzte sich in den Sessel gegenüber und beugte sich vor.

Weißt du jetzt, warum mir so an den Einzelheiten deines Traumes gelegen ist. Seit Jahren beschäftigt mich die Sache. Die letzte Spur zu Twerg Wit verliert sich in den Schriften eines irischen Abtes. Und dann gibt es natürlich noch Hinweise einzelner Seher. Dass er noch wirkt, davon sind alle überzeugt. Seitdem wurde viel über seinen Aufenthaltsort spekuliert. Manch einer glaubte ihn sogar in der Wüste Gobi. - Tja“, er lachte, „dabei ist dieser Ort vielleicht gleich vor der Tür.“

Nanito hatte aufmerksam zugehört, jetzt kribbelte es wieder ziemlich im Bauch. Diese alten Manuskripte waren demnach mehr wert als alles Gold der Welt, jedenfalls würde die Suche spannend werden. Doch wieder hatte er sich in Theo getäuscht. In aller Seelenruhe zündete der sich die Pfeife an und zog sich nachdenklich hinter seinem Buch zurück.

 

Nanito und Fahana bei den Urigen
Nanito und Fahana bei den Urigen



                                                                                     Leseprobe 1

                                                                           Illustrierte Einblicke

Mehr über Nanito finden Sie auf der Palmeninsel!

 

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